Pressemitteilung

Neue Werkstatistik 2022/23: Postpandemische Erholung

Köln, 15.07.2024

Die neue Ausgabe der Werkstatistik „Wer spielte was?" des Deutschen Bühnenvereins ist erschienen. Die Zahlen zu Aufführungen und Zuschauer:innen für die Spielzeit 2022/23 zeigen eine deutliche Erholung von der Corona-Krise. Sie deuten im Vergleich zu den Zahlen vor der Pandemie allerdings auf neue Krisen hin, die Theater und Publikum belasten. Und auf neue Themen auf den Bühnen.

Nach drei Spielzeiten mit Theaterschließungen während der Corona-Pandemie war 2022/23 wieder die erste „normale" Saison. Entsprechend stiegen die Aufführungs- und Zuschauer:innenzahlen. Die Zahl aller Inszenierungen der Spielzeit stieg in Deutschland auf 6.773 (im gesamten deutschsprachigen Theater, also inklusive Österreich und Schweiz, auf 7.716).

Diese Zahlen nähern sich deutlich dem Niveau vor der Pandemie an. In der Saison 2018/19 sind insgesamt 7.125 Inszenierungen (8.188 inklusive Österreich und Schweiz) gezeigt worden. Ähnlich verlief die Entwicklung bei der Gesamtzahl der Aufführungen, in der Saison 2022/23 waren es in Deutschland 74.412, im deutschsprachigen Bereich 85.004 (2018/19: 82.052 bzw. 94.300). Die Zuschauer:innenzahlen stiegen 2022/23 auf 18.586.302 in Deutschland, insgesamt auf 22.704.188 (2018/19: 22.942.112 bzw. 27.553.055). In der Saison 2021/22 lagen sie noch um 31 Prozent unter denen der Saison 2022/23. Damit haben sie sich wieder der Vor-Corona-Zeit angenähert, liegen aber immer noch um 19 Prozent unter den Publikumszahlen der Saison 2018/19.

Dabei ist die Entwicklung der unterschiedlichen Sparten durchaus nicht einheitlich: Während das Musiktheater ein Viertel des Publikums von 2018/19 bis 2022/23 verloren hat, sind es im Schauspiel und im Kinder- und Jugendtheater jeweils um die zehn Prozent. Im Tanz liegen die Zahlen dagegen fast gleichauf mit vor vier Jahren. All diese Zahlen entstammen der Werkstatistik, für die 437 Theater aus Deutschland, Österreich und der Schweiz ihre Daten für die Saison 2022/23 geliefert haben. Im Sinne der Nachhaltigkeit erscheint sie zum zweiten Mal ausschließlich digital: Bestellung über den Verlag auf https://verlag.koenigshausen-neumann.de/product/9783826088728-wer-spielte-was-2/

Insgesamt deutet die 76. Ausgabe der Werkstatistik auf eine Erholung von der Corona-Krise hin, auf deren Höhepunkt in der Saison 2020/21 die Zuschauer:innenzahlen in Deutschland auf 2,5 Millionen gesunken waren. Allerdings haben nun andere politische und wirtschaftliche Krisen das Publikum teils vom Theaterbesuch abgehalten - und gleichzeitig die Inhalte der Spielpläne bereichert. Die erfasste Spielzeit begann wenige Monate nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine. An zahlreichen Häusern gab es Inszenierungen, die sich mit der Lage von Ukrainer:innen auseinandersetzten. Zu den ersten und beeindruckendsten gehörte die ukrainisch-deutsche Inszenierung „Sich waffnend gegen eine See von Plagen" an der Berliner Schaubühne. Auf dem Cover der Statistik ist der ukrainische Schauspieler Oleh Stefan in dieser Inszenierung abgebildet. Der aus der Ukraine stammende Regisseur der Produktion, Stas Zhyrkov, gehört mit fünf Premieren in der Saison zu den gefragtesten Theatermachern der Spielzeit. Das lässt sich auch als ein Zeichen der Flexibilität der Häuser sehen, als eine Reaktion auf besondere Umstände.

Klassiker

Der deutsche Klassiker, Goethes „Faust", wird (jedenfalls Originaltext) immer seltener gespielt. In der Saison 2022/23 sind acht laufende Inszenierungen verzeichnet, in der Saison zuvor waren es noch elf, in der Vor-Corona-Spielzeit 2018/19 noch 20. Der neue Klassiker des Schauspielrepertoires heißt „Woyzeck". (Diese Entwicklung ist gekoppelt an Veränderungen der Lehrpläne an Gymnasien, wo „Faust" seltener zum Abiturstoff gehört und „Woyzeck" häufiger.) Georg Büchners Fragment kam nun in Deutschland auf 24 Inszenierungen, gefolgt von den zwei Shakespeare-Stücken „Sommernachtstraum" und „Hamlet" (mit je 16 Inszenierungen) und der Des-Integrations-Komödie „Extrawurst" von Dietmar Jacobs und Moritz Netenjakob mit 14 Inszenierungen.

Insgesamt finden sich unter den 25 meistinszenierten Schauspielen der Saison immerhin noch 14 Klassiker. Abgewirtschaftet haben die alten Herren also noch nicht; Shakespeare mit seinen zahlreichen Komödien und Tragödien führt mit 95 Inszenierungen nach wir vor die Liste der meistgespielten Dramatiker an. Unter den ersten zehn taucht Goethe nicht auf, wohl aber bei den Autoren von Literaturvorlagen: Durch „Die Leiden des jungen Werthers" kommt Goethe hier mit 22 Inszenierungen knapp nach Franz Kafka (mit 24 Inszenierungen).

In der Oper ändert sich statistisch nach wie vor nicht so viel, abgesehen davon, dass die Zahl von Zuschauer:innen überdurchschnittlich gesunken sind. „Die Zauberflöte" ist die meistinszenierte Oper (23 Inszenierungen) vor „Hänsel und Gretel" (20 Inszenierungen) und „Die Hochzeit des Figaro" (18 Inszenierungen). Zeitgenössische Oper taucht in den Hitlisten nicht auf.

Spartenübergreifend sind die drei Werke mit den meisten Zuschauer:innen andere: Das Bochumer Musical „Starlight Express" (mit 440.497), das Bad Segeberger Freilichtspektakel „Winnetou I" (mit 430.321) und „ARISE Grand Show" vom Berliner Friedrichstadt Palast (mit 422.419).

Frauen und Männer im Verhältnis

55 Prozent der Regisseur:innen der Spielzeit 2022/23 waren Männer, 42 Prozent Frauen, die restlichen drei Kollektive. Eine Saison zuvor lag der Frauenanteil noch zwei Prozent niedriger, drei Jahre zuvor lag die Frauenanteil noch fünf Prozent niedriger, der Männeranteil entsprechend fünf Prozent höher. Deutlich ist also eine stetige Entwicklung zu mehr Gleichberechtigung an den Regiepulten.

 

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